Zweithund plötzlich allein: Wie dein Hund um seinen Artgenossen trauert
Wir wollen uns diese Gedanken nicht machen, aber irgendwann kommt der Tag des Abschieds doch. Wenn wir einen Zweithund haben, trauert dieser auch um seinen geliebten Artgenossen. Und nicht nur das: Zweithunde nimmt der Verlust auch aus anderen Gründen mit.
Warum gerade dein Hund so sehr darunter leidet, wenn er als Zweithund plötzlich allein ist, erfährst du hier. Außerdem habe ich Tipps für dich, wie du deinem Vierbeiner in so einer Situation hilfst.
Warum Zweithunde den Tod des Artgenossen schwer verkraften
Viele Hunde, die in einem Haushalt zusammenleben, kommen früh zueinander. Sie verbringen ihr ganzes Leben zusammen.
Für Hunde ist ein Artgenosse auch eine ganz andere Art Gefährte, als du es als Besitzer bist. Stirbt einer der beiden, meist der Ersthund, da dieser älter ist, nimmt das den Zweithund verständlicherweise mit.
Der Grund, weshalb Zweithunde häufig so sehr mit dem Verlust zu kämpfen haben, liegt in der Natur unserer Hunde: Der Zweithund ist überwiegend der rangniedrigere Hund. Er hat zwar weniger zu sagen, kann sich dafür aber auch auf seinen Artgenossen verlassen und zurücklehnen.
Je länger er in dieser Konstellation gelebt hat, desto schwerer trifft ihn der Verlust. Plötzlich ist der rettende Hafen, die Stabilität in seinem Leben weg. Was der Ersthund an Aufgaben übernommen hat, muss nun der Zweithund tragen.
Ein Beispiel aus meiner Familie
Wir hatten über zehn Jahre zwei Hunde. Der Zweithund kam als unsicherer Straßenhund zu uns und brauchte eine Weile, um aufzutauen. Danach war das Zusammenleben sehr harmonisch.
Wie sehr der Zweithund sich am Ersthund orientiert hat, ist uns eigentlich erst nach dem Tod des Ersthundes aufgefallen.
Klingelte es an der Tür, lief erst der Ersthund los, dann folgte der Zweithund. Gäste begrüßte der Ersthund und wenn er sie als freundlich genug empfand, kam auch der Zweithund zum Schnuppern. Bei Begegnungen mit anderen Hunden lief es ähnlich.
Jetzt war der Ersthund nicht mehr da. Wer sollte also zur Tür laufen, wenn es klingelte? In unserem Fall blieb der Zweithund wo er war und bellte. Alleine traute er sich einfach nicht zur Tür. Auch wenn er eine bekannte Stimme hörte, wartete er ab, bis die Person zu ihm kam.
Dann wurde sie freundlich, aber meist zögerlich begrüßt.
Wie du einen trauernden Hund erkennst
Trauer verläuft bei Hunden ähnlich wie bei Menschen. Vielleicht kennst du das Fünf-Phasen-Modell der Trauer nach Kübler-Ross? Die Psychiaterin entwickelte dieses Modell durch ihre Arbeit mit Sterbenden. Sie erkannte fünf Phasen, die jeder Sterbende, aber auch Trauernde, durchleben:
- Leugnen
- Zorn
- Verhandeln
- Depression
- Akzeptanz
Dass Hunde um Artgenossen trauern können, ist uns als Hundebesitzern und Hundefreunden schon lange klar. 2022 konnte es aber auch endlich wissenschaftlich bestätigt werden.
Hund trauert um Hund: Die Symptome
In einer italienischen Studie (englische Quelle) erkannten die Wissenschaftler Verhaltensänderungen bei Hunden, die kurz zuvor einen Artgenossen verloren hatten. Die Veränderungen sind vielfältig. Dein Zweithund
- frisst weniger oder verweigert sein Futter völlig,
- lässt sich nicht zu Spielen animieren,
- wedelt weniger mit dem Schwanz,
- wirkt ruhelos, als wäre er auf der Suche nach etwas,
- schläft viel,
- kann nicht alleine sein, verfolgt dich auf Schritt und Tritt und
- zeigt plötzlich Verhaltensweisen oder Charakterzüge, die du so nicht von ihm kennst.
Dein Zweithund muss nicht all diese Symptome zeigen, um zu trauern. Bemerkst du einige davon und gab es vor Kurzem einen Trauerfall? Dann trauert sehr wahrscheinlich auch dein Hund.
Plötzlich Einzelhund: Dem Zweithund den Übergang erleichtern
Dein Zweithund findet sich in der Rolle des Einzelhundes am besten zurecht, wenn du ihm dabei hilfst. Manche meiner Tipps passen vielleicht nicht in deine Situation. Das ist nicht schlimm. Unterstütze deinen Vierbeiner, soweit es geht.
Es ist auch möglich, dass dein Zweithund den Verlust sehr gut verkraftet. Nicht alle Zweithunde sind zurückhaltend und brauchen jemanden, an dem sie sich orientieren können. Das ist natürlich super.
Du kennst deine Hunde am besten. Bemerkst du, dass er Schwierigkeiten mit dem Verlust hat, unterstützt du ihn. Ist er so wie immer, solltest auch du dich normal verhalten.
Wie verabschieden sich Hunde?
Steht das Abschiednehmen bei dir noch an, denke darüber nach, auch deinen Zweithund mit einzubeziehen. Der Zweithund muss beim Einschläfern nicht dabei sein. Je nach Charakter könnte das den Ablauf sogar stören.
Aber ist es geschafft, darf dein Zweithund gerne Abschied nehmen.
Hunde sind da auf den ersten Blick sehr pragmatisch. Sie beschnüffeln ihren verstorbenen Kumpel kurz und wissen sofort, dass er tot ist. Damit ist für sie das Thema meistens durch. Während wir mit den Tränen kämpfen, scheinen Hunde das Ganze mit einem „Jap, das war’s“ hinzunehmen.
So einfach ist das natürlich nicht. Auch Hunde trauern, das hatten wir ja schon. Deswegen ist dieser Moment auch so wichtig für sie. Ohne das Abschiednehmen, wäre ihr Kumpel einfach fort und sie wüssten nicht, wohin.
Du musst dir keine Sorgen machen, wenn dein Zweithund diese Gelegenheit aus welchen Gründen auch immer nicht bekommt. Er wird mit der Zeit trotzdem verstehen, dass der Ersthund nicht wiederkommt.
Napf, Leine und Co. nach und nach wegräumen
Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich verkrafte den Tod eines geliebten Haustieres nur sehr schwer. Mir fällt es leichter, wenn ich so schnell wie möglich alles, was mich an sie erinnert, wegräume.
Für deinen Zweithund ist es hingegen besser, Erinnerungsstücke eine Weile präsent zu lassen. Der Verlust ist Veränderung genug. Räumst du noch am selben Tag Körbchen, Napf und Spielzeug weg, könnte das für deinen Zweithund zu viel werden.
Lasse am besten erstmal alles, wie es war. Nach und nach entsorgst du dann, was du nicht als Erinnerung behalten möchtest und verstaust den Rest. Der Prozess darf ruhig mehrere Wochen dauern. Deinen Zweithund nehmen die kleinen Veränderungen nicht so sehr mit, wie ein Rundumschlag direkt nach dem Verlust.
Trauer zulassen, ohne problematische Verhaltensweisen zu unterstützen
Noch während Gegenstände von deinem Ersthund präsent sind, wirst du merken, dass bei deinem Zweithund die Trauer einsetzt. Lasse sie zu, auch dein Hund muss den Verlust verarbeiten.
Kuschele mehr mit ihm, wenn er das möchte. Hat er keine Lust zu spielen, akzeptiere es. Bleiben einige Tage Reste im Futternapf, ist das auch nicht schlimm. Achte nur darauf, keine problematischen Verhaltensweisen, die in der Trauer entstehen, zu unterstützen.
Wenn der Ersthund stirbt, werden viele Zweithunde sehr anhänglich. Das ist verständlich, aber nicht zielführend. Folgt dir dein Zweithund wie ein zweiter Schatten, unterbinde es.
Die Momente, in denen ihr getrennt seid, müssen anfangs nur wenige Sekunden lang sein. Mit der Zeit steigerst du sie. Du wirst merken, mit welchem Tempo dein Zweithund zurechtkommt.
Schließe dafür Türen hinter dir. Schicke deinen Zweithund konsequent auf seinen Platz, wenn er aufspringt, sobald du den Raum verlassen möchtest. Mehr über das Alleine bleiben und das Training dahinter, erfährst du in diesem Video.
Achte auch darauf, dass sich dein Hund nicht völlig seiner Trauer hingibt. Normalerweise normalisiert sich sein Verhalten innerhalb weniger Wochen oder höchstens nach einem halben Jahr. Passiert das nicht von alleine, musst du aktiv werden.
- Gehe längere Runden spazieren,
- besucht neue Orte und
- animiere deinen Hund zum Spielen.
Damit verhinderst du, dass aus der Trauer eine tiefe Depression wird. Laut einer amerikanischen Studie fällt es Hundehaltern sogar sehr schwer, diese bei ihren Vierbeinern zu erkennen (englische Quelle).
Routine beibehalten
Auch wenn es schwerfällt ohne den Ersthund, der Zweithund braucht nun ganz besonders Sicherheit in seinem Leben. Habt ihr feste Gassi- und Mahlzeiten? Halte sie ein, soweit es geht. Auch andere Rituale, etwa wenn es ins Bett geht oder Termine in der Hundeschule, solltest du beibehalten.
Je mehr Stabilität du bietest, desto besser kann dein Hund seine Trauer verarbeiten. Das hilft ihm gleichzeitig, Selbstbewusstsein für sein Leben als Einzelhund zu sammeln.
Zweithund plötzlich allein: Das Fazit
Hunde trauern genauso wie Menschen. Gerade Zweithunde scheinen tief zu trauern, weil für sie nicht nur ein guter Freund verstorben ist. Der Ersthund ist für sie häufig wie ein Fels in der Brandung, der ihnen Sicherheit gibt.
Sie müssen erst lernen, sich selbst diese Sicherheit zu geben oder sie von dir zu erfahren.
Mit Einfühlungsvermögen und Training ist das in den meisten Fällen kein Problem. Sorge dafür, dass dein Zweithund Zeit für seine Trauer hat, sich dieser aber nicht völlig hingibt. Depressionen sind auch bei Hunden ein Thema.
Auch wenn es schwerfällt: Sei stark für deinen Hund. Er braucht dich jetzt.
Häufig gestellte Fragen
Wie lange trauern Hunde um Artgenossen?
Pauschal lässt sich das nicht beantworten, da auch Menschen unterschiedlich lange und stark trauern. Zwischen wenigen Wochen und einem halben Jahr ist bei Hunden alles möglich und normal.
Kann ich zu meinem ehemaligen Zweithund wieder einen Zweithund dazuholen?
In den meisten Fällen können sich Hunde an sich verändernde Lebensumstände durch neue Familienmitglieder gut anpassen. Achte nur darauf, dass die Hunde charakterlich zueinanderpassen und lasse deinem Hund vorher ausreichend Zeit, zu trauern.
Kann ich meinen ehemaligen Zweithund alleine lassen?
Wie gut dein Zweithund das Alleine bleiben ohne seinen Artgenossen meistert, kannst du am besten einschätzen. Gib ihm vorher Zeit, um zu trauern und starte am besten mit kurzen Phasen, in denen er alleine bleiben muss.
Mein Zweithund ist seit dem Tod meines Ersthundes aggressiv. Kann es da einen Zusammenhang geben?
Das passiert selten, ist aber möglich und sollte durch einen Hundetrainer begleitet werden. Vermutlich ist dein Hund mit dem Verlust überfordert.
Muss ich für meinen Zweithund unbedingt wieder einen zweiten Hund anschaffen, wenn der erste verstirbt?
Die meisten Hunde sind durch einen Artgenossen im Haushalt glücklicher, brauchen ihn aber nicht, um ein glückliches Hundeleben zu führen. Wenn ein zweiter Hund nach dem Tod eines Vierbeiners nicht infrage kommt, ist das normalerweise kein Problem.