Fluoxetin für Hunde: Wozu ein Antidepressivum?

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Antidepressiva gibt es seit vielen Jahren auch für Hunde. Fluoxetin ist bereits seit weit über 20 Jahren für unsere Vierbeiner zugelassen. Dennoch hören wir nur wenig davon.

Ein Grund ist sicherlich, dass wir bei Angststörungen nicht zum Tierarzt, sondern zum Hundetrainer gehen. Dieser darf uns keine Medikamente verschreiben.

Sind Antidepressiva wie Fluoxetin für Hunde dann überhaupt nötig? Schließlich kamen wir bisher auch (fast) ohne sie aus.

Wann Fluoxetin tatsächlich hilfreich ist und was du bei der Gabe beachten musst, verrate ich dir hier.

Fluoxetin für Hunde: Auf den Punkt gebracht

Fluoxetin ist ein Antidepressivum, das bei Hunden speziell gegen Trennungsangst eingesetzt wird. Es macht Hunde optimistischer und damit empfänglicher für Training.

Aufgrund seiner Neben- und Wechselwirkungen sollte Fluoxetin nur streng kontrolliert eingesetzt werden. Das Ziel sollte ein Trainingserfolg sein, der das Medikament unnötig macht.

Was ist Fluoxetin?

Fluoxetin ist ein Antidepressivum. Für Hunde ist es unter dem Namen „Reconcile“ erhältlich. Das Medikament hemmt die Aufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt.

Dadurch bleibt das Serotonin länger verfügbar. Als Folge wird der Patient fröhlicher, denn Serotonin ist ein Neurotransmitter, der stimmungsaufhellend wirkt.

Bei Antidepressiva ist die Dosierung anfangs oftmals schwierig. Zusätzlich treten die ersten Erfolge erst zwei bis vier Wochen nach Beginn der Therapie auf. Manchmal dauert es sogar sechs Wochen, bis Besitzer einen Unterschied feststellen.

Das bedeutet, dass dein Tierarzt die Dosis auch erst nach mindestens vier Wochen verändern kann. Der Zustand deines Hundes verändert sich im schlimmsten Fall also erst viele Wochen nach Therapiestart.
Fluoxetin ist für Hunde als angstlösendes Medikament zugelassen.

Spricht dein Hund gut darauf an, bessern sich dadurch seine Verhaltensauffälligkeiten und er wird empfänglicher für zusätzliches Training. In den meisten Fällen ist das unumgänglich, um auf Fluoxetin dauerhaft verzichten zu können. Dazu später mehr.

Brauchen Hunde Antidepressiva?

Seit einiger Zeit wächst die Anzahl an Tierheilpraktikern und Tierpsychologen. Das Problem daran ist, dass sich theoretisch jeder so nennen darf.

Man braucht also keine Ausbildung oder gar ein Studium dafür, um als Tierpsychologe aktiv zu werden. Medikamente verschreiben, kann der Tierpsychologe dafür auch nicht.

Tierheilpraktiker und -psychologen arbeiten daher mit anderen Methoden wie Massagen, Diäten, Homöopathie und Akupunktur. Die Wirksamkeit dieser Herangehensweisen bei psychischen Erkrankungen ist aber oft kaum erforscht und daher unsicher.

Sind Antidepressiva deswegen automatisch besser für deinen Hund? Nein, auch ihre Gabe musst du abwägen. Da es sich bei einem Antidepressivum wie Fluoxetin um ein kontrolliertes Mittel handelt, halte ich sein Schadenspotenzial für geringer.



Speziell, wenn du an einen unseriösen Tierheilpraktiker gerätst, der nur am schnellen Geld interessiert ist und gar keine Qualifikationen besitzt.

Wann Fluoxetin deinem Hund helfen kann

Psychische Probleme bei Hunden festzustellen, kann schwierig sein. Wir sehen erst, dass es ihnen schlecht geht, wenn sich ihr Verhalten deutlich verändert.

Kommen physische Symptome hinzu, suchen wir oftmals nur nach einer körperlichen Ursache.

Dabei leiden immer mehr Hunde unter andauerndem, starken Stress und Ängsten. Sind diese so stark, dass die Tiere auffällig werden, kann Fluoxetin als Türöffner dienen.

Angst

Zugelassen ist Fluoxetin bei Hunden mit Trennungsangst. Eine Studie dazu konnte nachweisen, dass Hunde mit Trennungsangst unter Fluoxetin optimistischer sind (englische Quelle).

Die Forscher geben an, dass die Besserung in einigen Fällen so positiv ausfiel, dass die Besitzer das Medikament irgendwann weglassen konnten.

Zusätzlich wird Fluoxetin auch bei anderen Ängsten angewendet. Für die ist es nicht zugelassen, wird aber „Off-Label“ benutzt. Das bedeutet nur, dass der Hersteller sich die Zulassungsgebühren spart.

Außerdem sind Zulassungen oft mit zusätzlichen Tests und Studien verbunden. Indem sie darauf verzichten, können sie das Medikament schneller zur Verfügung stellen.

So etwas gibt es auch oft bei Menschen. Fenoterol ist beispielsweise zur Behandlung eines akuten Asthmaanfalls und Atemnot zugelassen. Off-Label wird es auch als Wehenhemmer eingesetzt.

Mache dir also keine Sorgen, wenn dein Tierarzt deinem Hund Fluoxetin beispielsweise wegen Angst vor Gewitter verschreibt. Das ist in diesem Fall völlig okay.

Verhaltensauffälligkeiten

Angst und Verhaltensauffälligkeiten gehen Hand in Hand. Angsterfüllte Hunde neigen zu

  • anhaltendem Bellen,
  • Zerstörungswut,
  • Unsauberkeit,
  • selbstverletzendem Verhalten und
  • Zwangsstörungen.

Letztere untersuchte ein Forscherteam. Dabei erhielten Hunde, die zwanghaft ihren eigenen Schwanz jagen, Fluoxetin oder Clomipramin. Beides sind beim Menschen zugelassene Antidepressiva.

Die Hunde zeigten bei beiden Medikamenten deutliche Besserung im Vergleich zur Gruppe, die kein Medikament erhalten hatte. Zusätzlich werteten die Forscher die Wirkung von Fluoxetin als etwas besser als die des Clomipramin (englische Quelle).

Nebenwirkungen

Fluoxetin kann zu einer Reihe unterschiedlicher Nebenwirkungen führen. Am häufigsten kommt es bei Hunden zu Appetitverlust und Müdigkeit.

Verdauungsbeschwerden werden ebenfalls oft beobachtet, wobei diese allgemein häufig vorkommen und daher nicht immer auf das Medikament zurückzuführen sind.

Nicht ganz so oft fallen erhöhte Speichelproduktion und Koordinationsstörungen auf. Typisch für viele Antidepressiva kann dein Hund außerdem an Zittern und anhaltender Unruhe leiden.

Kommt es bei ihm zu Krampfanfällen oder erhöhter Aggressivität, setze das Medikament in Absprache mit deinem Tierarzt ab. Das ist zwar selten, aber nicht auszuschließen.

Serotonin-Syndrom

Ebenfalls selten, aber möglich, ist das Serotonin-Syndrom. Das wird durch eine überhöhte Stimulation von Serotoninrezeptoren ausgelöst. Es führt zu Krämpfen, Zittern, starker Unruhe, Angst, Schreckhaftigkeit und Verwirrung.

Zusätzlich erhöht die Überdosis Serotonin den Blutdruck und die Körpertemperatur, was lebensbedrohlich werden kann.

Vermutest du das Serotonin-Syndrom bei deinem Hund, gehe sofort mit ihm zum Tierarzt. Häufig reicht es aus, wenn er kein Fluoxetin mehr bekommt. In seltenen Fällen muss er aber abgekühlt werden oder braucht kreislaufstabilisierende Mittel.

Wann dein Hund kein Fluoxetin bekommen sollte

Fluoxetin kann mit anderen Medikamenten wechselwirken (Quelle). Auch bei Nahrungsergänzungsmitteln kann es dazu kommen. Nimmt dein Hund irgendetwas ein, erwähne das auf jeden Fall, wenn dein Tierarzt ihm Fluoxetin verschreibt. Bei

  • Diuretika (Entwässerung),
  • Antiparasitika,
  • Diazepam,
  • Johanniskraut und
  • weiteren Medikamenten und Wirkstoffen

wird Fluoxetin nicht eingesetzt.
Unabhängig von Medikamenten sollte dein Vierbeiner kein Fluoxetin bekommen, wenn er an

  • Diabetes mellitus,
  • Epilepsie,
  • Lebererkrankungen oder
  • Nierenschäden

leidet. Auch wenn er für diese Krankheiten keine Medikamente braucht, wird für gewöhnlich kein Fluoxetin verschrieben.

Fluoxetin löst nicht alle deine Probleme

Fluoxetin zeigt bei Hunden mit Trennungsangst und Verhaltensauffälligkeiten starke Wirkung. Das heißt aber nicht, dass diese Hunde dadurch geheilt sind.

Psychische Probleme lassen sich nur selten rein medikamentös lösen. Auch beim Menschen kommen sie normalerweise in Kombination mit Therapie zum Einsatz.

Hinzu kommen die möglichen, starken Nebenwirkungen. Würdest du das Medikament absetzen, würden die Verhaltensauffälligkeiten deines Hundes zurückkehren.

Das bedeutet, du müsstest ihn dauerhaft damit behandeln. Je länger die Behandlung andauert, desto eher kommt es auch zu schwereren Nebenwirkungen.

Dein Ziel sollte also sein, dass dein Hund das Fluoxetin nicht mehr braucht.

Erst Fluoxetin, dann Training

Die meisten Probleme im Verhalten von Hunden können wir mit etwas Training gut lösen. Bei richtigen Angststörungen sieht es anders aus. Dann ist der Hund von seiner Angst so vereinnahmt, dass er für Training und Ablenkung nicht mehr empfänglich ist.

In so einem Fall kann Fluoxetin wirklich helfen, aber eben nur in Kombination mit Training. Das Medikament öffnet dir dafür die Tür. Es macht deinen Hund in Situationen, in denen er normalerweise durchdrehen würde, ruhiger. Du nutzt diese Ruhe.

Schafft das Fluoxetin es, dass dein Hund Futter annimmt, hast du schon so gut wie gewonnen. Füttere deinem Hund die Situation schön. Gibt es ganz besondere Leckereien bei einem Gewitter, erscheint das plötzlich gar nicht mehr so gruselig.

Leidet dein Hund an Trennungsangst, kannst du mit dem Medikament die Zeitabstände erhöhen.
Wie du das Alleinebleiben trainieren kannst, erfährst du in diesem Video.

Hund Trennungsangst abgewöhnen I Hunde mit Trennungsangst richtig trainieren

Bei einem richtigen Angsthund empfehle ich dir, mit einem erfahrenen Hundetrainer zusammenzuarbeiten. In Absprache mit ihm und deinem Tierarzt setzt du dann während des Trainings das Medikament ab.

Lagerung und Entsorgung

Bekommt dein Hund Fluoxetin, solltest du, wie bei allen Medikamenten, auf eine sichere Lagerung achten. Weder dein Vierbeiner, noch andere Tiere oder Kinder im Haushalt dürfen das Medikament in die Pfoten oder Finger bekommen.

Eine Überdosis kann, wie bereits erwähnt, zum Serotonin-Syndrom führen. Die dadurch mögliche Überhitzung kann lebensbedrohlich werden.

Stelle also sicher, dass nur du an die Packung herankommst. Achte darauf, dass das Fluoxetin zwischen 20 und 25 °C gelagert wird.

Beendet ihr, in Absprache mit deinem Tierarzt, die Gabe, spüle übrig gebliebene Tabletten niemals im Klo hinunter. Wirf auch die Packung nicht einfach in den Müll. Dein Tierarzt nimmt die Tabletten (auch abgelaufene) gern zurück. Er darf sie unentgeltlich und fachgerecht vernichten lassen.

Fazit

Fluoxetin ist keine Wunderpille und auch kein Smartie. Es handelt sich um ein starkes Antidepressivum. Du solltest es nur vorsichtig und mit dem Ziel, es irgendwann nicht mehr zu brauchen, anwenden.

Bevor du dazu greifst, würde ich dir den Gang zu einem Hundetrainer empfehlen. Achte darauf, dass er viel Erfahrung mit Angsthunden und Verhaltensauffälligkeiten hat.

Vielleicht schafft ihr es mit viel Einfühlungsvermögen, um das Medikament herumzukommen.

Braucht ihr es doch, beende bloß nicht das Training. Das Fluoxetin schaltet nicht die Angst deines Hundes aus. Jeder kleine Trainingserfolg sorgt für mehr Wohlbefinden bei deinem Vierbeiner.

Häufig gestellte Fragen

Was macht Fluoxetin?

Fluoxetin ist ein Medikament, das bei Menschen zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird. Bei Hunden mit Angststörungen und Verhaltensauffälligkeiten kann es ebenfalls helfen.

Wie lange dauert es, bis Fluoxetin wirkt?

Fluoxetin braucht eine gewisse Zeit, bis du eine Wirkung erwarten kannst. Rechne mit zwei bis vier Wochen, bevor das Medikament zu sichtbaren Besserungen führt.

Ist Prozac Fluoxetin?

Fluoxetin ist der Name des Arzneistoffes. Unter dem Namen Prozac wird das Medikament vertrieben, sodass beide Bezeichnungen dasselbe meinen.

Was sind Nebenwirkungen von Fluoxetin?

Am häufigsten wirkt sich Fluoxetin auf den Appetit aus, sodass dein Hund sein Futter stehen lassen könnte. Ebenso kann es zu Verdauungsbeschweren, Zittern, Unruhe und sehr selten auch zu Krämpfen und Aggression kommen.

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