Die verhängnisvolle Lichtung

Fridolin, ein stolzer Hannoverscher Schweißhund, trottete durch die verwinkelten Gassen des verschlafenen Dorfes, das im Nebel des kühlen Morgens fast geheimnisvoll wirkte. Der Herbst hatte die Umgebung in warme Erdtöne gehüllt, und die feuchten Blätter knirschten leise unter seinen Pfoten, während er seinem täglichen Rundgang nachging. Fridolin war bekannt und geliebt in der kleinen Gemeinde, ein treuer Begleiter für alle, die seine Gesellschaft suchten.

Doch an diesem speziellen Morgen, schien etwas anders zu sein. Fridolin hielt in der Nähe des alten Brunnens inne, seine feine Nase zuckte, als ein ungewohnter Duft seine Aufmerksamkeit erregte. Es war eine Mischung aus Moder und etwas Unbekanntem, das ihm trotz seines wöchentlichen Streifzugs noch nie begegnet war. Er zögerte kurz, setzte seinen Rundgang aber mit neugierig gesenktem Kopf fort.

Sein Weg führte ihn hinaus aus dem Dorf und hinunter zu einem kleinen, fast unsichtbaren Pfad, der in den Wald führte. Die mächtigen Eichen und Buchen warfen lange Schatten, die im schwachen Licht des Morgens fast bedrohlich wirkten. Fridolin fühlte sich jedoch seltsam angezogen von diesem Pfad, als ob ihn etwas rufen würde.

Tiefer und tiefer führte ihn seine Neugierde in das Herz des Waldes, bis er schließlich zu einer Lichtung kam, die er in all den Jahren noch nie betreten hatte. In der Mitte der Lichtung stand eine alte, verfallene Hütte, von Efeu überwuchert und beinahe unsichtbar inmitten der Natur. Das unheimliche Knistern in der Luft ließ seine Ohren aufstellen, und seine Rute streckte sich wie eine Antenne aus.

Fridolin schlich vorsichtig näher und entdeckte zur seiner Überraschung, dass die Tür der Hütte einen Spalt breit offen stand. Er legte seine Pfote auf die Tür und schob sie vorsichtig weiter auf. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er das Innere der Hütte bemerkte, das mit alten Bildern und Notizen behängt war. In der Luft lag der Geruch von altem Papier und vergangenem Leben, gemischt mit dem gleichen, modernden Aroma, das ihn erst hierher gelockt hatte.

Gerade als Fridolin weiter in den Raum vordringen wollte, ertönte ein leises, fast unverständliches Flüstern aus der Tiefe der Hütte. Ohne Vorwarnung schloss sich die Tür hinter ihm mit einem lauten Knall, und die Dunkelheit umschlang ihn wie ein eiskaltes Tuch. Fridolin wirbelte herum und starrte erschrocken in die Finsternis, aus der nun zwei schmale, glühend rote Augen auftauchten…

[Fortsetzung folgt]

Der Atem stockte Fridolin in der Kehle, als er in die glühend roten Augen starrte, die wie zwei glühende Kohlen in der Dunkelheit schwebten. Sein Herz schlug wild in seiner Brust, doch seine Pfoten blieben wie angewurzelt an Ort und Stelle. Ein tiefes, knurrendes Geräusch ertönte aus der Tiefe der Hütte, und die roten Augen kamen näher, enthüllten dabei die Silhouette einer zerlumpten Gestalt mit einer Kapuze, die tiefe Schatten über ihr entstelltes Gesicht warf.

„Wer bist du?“ fragte eine heisere, kratzige Stimme, die aus der Dunkelheit zu kommen schien. Fridolin knurrte, seine Ohren zurückgelegt und seine Rute steif vor Anspannung. Doch tief in ihm spürte er, dass diese Kreatur keine Bedrohung war, sondern eher… verloren.

Mit vorsichtigen Schritten trat Fridolin näher, rief all seinen Mut zusammen und sah die Gestalt an, die nun deutlicher zu erkennen war. Es war ein älterer Mann, dessen Augen rot und trüb von Tränen und Sehnsucht waren. Er schien mehr als nur körperlich zerfallen zu sein – es war seine Seele, die tiefgreifend beschädigt war.

„Du… du bist der erste, der den Weg hierher gefunden hat“, murmelte der alte Mann und sank auf die Knie. „Ich habe so lange auf jemanden gewartet, der mich erlösen kann.“

Fridolin spitzte die Ohren und wagte einen weiteren Schritt vorwärts, dabei strömte Wärme und Mitgefühl aus seinem Hundeherzen. Der alte Mann streckte zitternd die Hand aus, um Fridolins Kopf zu berühren, doch zögerte dann, als wäre er sich unsicher, ob er es wirklich verdienen würde.

„Das ist der Fluch“, erklärte der Mann leise. „Die Dorfbewohner wissen nichts davon, aber ich bin der Grund, warum sie immer in Ruhe und Frieden leben konnten. Ich habe einen Zauber auf mich geladen, der das Dorf schützt, doch ich wurde vergessen, hier allein zurückgelassen… Ich brauchte jemanden wie dich, um mich zu erlösen.“

Fridolin wusste, was zu tun war. Mit einem sanften Winseln legte er seine Schnauze in die Hand des alten Mannes und spürte die schwere Last, die dieser getragen hatte. In dem Moment, als er den Mann berührte, begann die Welt für beide zu leuchten. Die Dunkelheit wich einem sanften, goldenen Licht, und die kalten Mauern der Hütte schmolzen zu warmen Sonnenstrahlen. Die roten Augen des Mannes verloren ihre Glut, und in seinem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck tiefen Friedens.

Mit einem Seufzer, der sowohl Erleichterung als auch Dankbarkeit ausdrückte, hob der alte Mann den Fluch und konnte nun endlich seine wohlverdiente Ruhe finden. Fridolin stand noch einen Moment da, als die letzten Strahlen des Lichts verschwanden und die Hütte sich in nichts auflöste, als wäre sie niemals da gewesen.



Als Fridolin sich umdrehte, um zurück ins Dorf zu trotten, fühlte er sich nicht nur als stolzer Hannoverscher Schweißhund, sondern auch als Retter einer verlorenen Seele. Sein Herz war mit einer neuen Wärme und einem tiefen Gefühl von Sinn erfüllt. An diesem Morgen kehrte er nicht einfach nur zurück – er kehrte als Held zurück.

Die Dorfbewohner begrüßten ihn mit offenen Armen, ohne jemals zu erfahren, welche magische Pflicht Fridolin in den Tiefen des Waldes erfüllte. Für sie war er weiterhin der treue Begleiter, den sie liebten und verehrten – doch in seinem eigenen Herzen wusste Fridolin, dass er etwas Unglaubliches vollbracht hatte.

Und irgendwie, in den stillen Momenten des Tages oder in den Nebeln eines kühlen Morgens, konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass irgendwo tief im Wald eine dankbare Seele über ihn wachte.

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