Das Medaillon des Wolfs

Heiser pfiff der Wind durch das hohe Gras der Steppe. Mein Name ist Nevis, und ich bin ein Zwergspitz mit einem Herzen, so groß wie die weiten Horizonte, die sich vor mir erstrecken. Seit ich denken kann, begleite ich meinen besten Freund und Besitzer, Markus, auf seinen Reisen durch diese endlosen Landschaften. Ich bin sein treuer Begleiter, sein kleiner Schatten inmitten der riesigen Steppe.

Es war an einem besonders kargen Morgen, als Markus und ich unsere Reise fortsetzten. Unsere Vorräte wurden knapp, und das Gras unter meinen Pfoten fühlte sich trocken und spröde an. Doch wir ließen uns nicht entmutigen, denn vor uns lag das Unbekannte, das Abenteuer. Niemand hatte uns gesagt, dass die Steppe so unbarmherzig sein konnte, aber das war, was uns antrieb — die Herausforderungen, die uns näher zueinander brachten.

Markus füllte die Wasserflaschen an einer kleinen Quelle, während ich umherstreifte und die Umgebung beschnüffelte. Mein noch junger Instinkt sagte mir, dass etwas anders war an diesem Tag. Irgendetwas lag in der Luft, etwas, das ich nicht benennen konnte, aber es ließ meine kleine Hundenase unablässig zucken.

Plötzlich hörte ich ein Rascheln in den hohen Gräsern. Sofort spitzte ich die Ohren und mein Fell stellte sich auf. Markus hatte mich ein wachsames Auge zu sein gelehrt, besonders in einer Umgebung wie dieser. Ich bellte leise, um ihn vorzuwarnen, aber er schien es nicht zu hören.

Ohne weiter darüber nachzudenken, machte ich mich auf, um das Geräusch zu untersuchen. Mein Herz pochte schneller, während ich mich vorsichtig näherte. Das Rascheln wurde lauter und plötzlich sprang eine Gestalt aus dem Gras hervor. Zu meinem Erstaunen stand ich einem riesigen, wilden Wolf gegenüber. Seine Augen funkelten gefährlich, und ich wusste, dass ich sofort handeln musste.

Markus! dachte ich panisch. Doch bevor ich zurückrennen konnte, ließ der Wolf ein tiefes, bedrohliches Knurren ertönen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich musste eine Entscheidung treffen, und zwar schnell. Mein kleiner Körper bebte vor Anspannung, während mir bewusst wurde, dass dieses Aufeinandertreffen möglicherweise über unser beider Schicksal entscheiden würde.

Dann sah ich es — ein kleines silbernes Medaillon, das am Hals des Wolfs hing. Es funkelte im schwachen Licht der Sonne und weckte sofort meine Neugier. Doch das war nicht alles, was meine Aufmerksamkeit erregte. Auf dem Medaillon war eine seltsame Inschrift eingraviert, die mir bekannt vorkam.

Aber bevor ich näher hinschauen konnte, sprang der Wolf auf mich zu, und ich wusste, dass dies der Moment war, in dem alles sich ändern würde.

Teil 2:

Instinktiv duckte ich mich und sprang zur Seite, entging gerade noch den scharfen Zähnen des Wolfs. Adrenalin schoss durch meine Adern und jeder Muskel in meinem kleinen Körper war angespannt. Ich wusste, dass ich zu Markus zurückkehren musste, doch der Wolf versperrte mir den Weg.

„Nevis!“ rief Markus plötzlich, seine Stimme erfüllt von Sorge. Ich hörte das Getrampel seiner Stiefel auf dem trockenen Boden, wusste, dass er näher kam. Das gab mir neuen Mut. Mit einem tiefen, knurrigen Bellen warf ich mich gegen den Wolf, versuchte, ihn von meiner Fährte abzulenken. Zu meinem Erstaunen wich der Wolf zurück, seine Augen blitzten fast verwirrt.

Markus erreichte mich und zog sein Messer, stand schützend zwischen dem Wolf und mir. Doch der Wolf schien weniger feindselig als zuvor. Langsam trat er zurück und setzte sich schließlich ins Gras, seine Augen fixierten uns vorsichtig. Das Medaillon, das um seinen Hals hing, glitzerte weiterhin im Licht.

Markus senkte zögernd das Messer und wir beide starrten das Medaillon an. „Das Symbol darauf,“ murmelte Markus, „Ich kenne es. Es gehört zu einem alten Stamm, den wir auf einer unserer Reisen getroffen hatten. Sie erzählten Geschichten von einem magischen Wolf, der Beschützer des Landes sein sollte.“

Ein Verstehen keimte in mir auf. Dieser Wolf, so wild er auch erschien, war vielleicht kein Feind. Vorsichtig trat ich einen Schritt näher, meine kleine Nase zuckte erneut. Der Wolf zeigte keine feindseligen Anzeichen, sondern neigte den Kopf leicht zur Seite, als würde er mich mustern.

Allmählich senkte sich die Anspannung. Markus steckte sein Messer weg und ging einige Schritte auf den Wolf zu. Dieser schien es zu akzeptieren und blieb ruhig sitzen, seine Augen weiterhin auf uns gerichtet. Markus kniete sich hin und streckte vorsichtig die Hand nach dem Medaillon aus. Zu unserer Überraschung ließ der Wolf es geschehen, als hätte er verstanden, dass wir keine Bedrohung darstellten.



„Das ist unglaublich,“ sagte Markus, während er das Medaillon betrachtete. „Es ist wirklich das Symbol des Schutzwolfs.“ Markus drehte sich zu mir um und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Nevis, ich glaube, wir haben einen neuen Freund gefunden.“

Der Wolf erhob sich, als hätte er seine Mission verstanden. Er schnüffelte vorsichtig an mir und stupste mich dann sanft mit seiner Nase an. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte mich und ich bellte einmal freundlich.

Von diesem Tag an ging der Wolf, den wir schließlich Lupus tauften, an unserer Seite. Er führte uns zu verborgenen Wasserstellen und schattigen Plätzen, wo wir rasten und unsere Kräfte sammeln konnten. Wo einst Unsicherheit und Gefahr herrschten, war nun eine friedliche Koexistenz entstanden.

Lupus war unser Beschützer, während wir weiter durch die endlosen Weiten der Steppe zogen. Die Herausforderungen blieben, doch nun waren wir stärker, gewappnet für die Unbarmherzigkeit des Landes. Und so setzten wir unsere Reise fort, ein unerschütterliches Band schmiedend zwischen Mensch, Hund und Wolf, bereit für all die Abenteuer, die vor uns lagen.

Ende.

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