Verborgene Spuren der Großstadt

Während die ersten Sonnenstrahlen des Tages zaghaft die Dächer der Großstadt berührten, lief der Bavarian Mountain Scenthound namens Gustav zielstrebig durch die verregneten Straßen. Er war wieder einmal unterwegs, seiner Nase folgend, die jeden verborgenen Geruch in dieser Labyrinth artigen Stadt aufnehmen konnte.

Seit sein bester Freund und Besitzer, Max, verschwunden war, hatten Gustavs Tage eine neue Routine angenommen: die Suche nach Hinweisen. Seine Pfoten hinterließen leicht matschige Spuren auf dem Bürgersteig, als er aufmerksam durch die Gassen zog. Manchmal wusste er selber nicht, warum er an genau dieser oder jener Kreuzung inne hielt, aber etwas in ihm trieb ihn weiter.

Diese Großstadt mit ihren engen, viel befahrenen Straßen und dem ständigen Lärm war nicht immer Gustavs Zuhause gewesen. Einst lebte er mit Max in den beschaulichen Alpen, wo die Luft frisch und die Geräusche weit weniger überwältigend waren. Doch das Leben in der Stadt hatte ihn verändert. Er war zäher, wachsamer geworden.

Heutiger Morgen war anders. Gustav konnte es fühlen. Da war etwas in der Luft, ein Geruch, den er nicht richtig zuordnen konnte, der aber seine Instinkte wachrief. Mit einem leisen Winseln tauchte er in eine der unübersichtlichen Seitenstraßen ab, wo die Gebäude enger und die Schatten tiefer wurden.

Plötzlich blieb er stehen. Vor ihm lag eine alte, heruntergekommene Lagerhalle. Die Türen standen leicht geöffnet, und aus dem Inneren drang ein schwacher Lichtschein. Gustavs Herz begann zu rasen; irgendetwas an diesem Ort fühlte sich unheilvoll an. Langsam schlich er näher, seine Ohren aufgerichtet, seine Nase in höchster Alarmbereitschaft.

Er wagte einen Blick durch den Türspalt und erspähte eine Gestalt, die ihm vage bekannt vorkam. Sie schien etwas in den Händen zu halten, das er nicht genau erkennen konnte. Und dann, mit einem scharfen Ziehen in seinem Inneren, erkannte Gustav den Geruch. Es gehörte zu jemandem, den er kannte – es war Max!

Doch bevor er einen Laut von sich geben konnte oder sich entschied, wie er weiter vorgehen sollte, hörte er ein leises Klicken, das klang wie der Mechanismus einer Falle, die zuschnappt. Gustav wusste, dass jede Sekunde zählte.

Und dann – Stille.

Teil 2:

Gustavs Herz schlug wie ein Hammer in seiner Brust, als die Stille in der Lagerhalle drückend schwer wurde. Seine Muskeln waren angespannt, seine Sinne zu einem Drahtseil gespannt, bereit zu schnappen. Er wusste, Fehltritte konnten teuer werden. Langsam und vorsichtig setzte er eine Pfote vor die andere, schlüpfte durch den Türspalt und bewegte sich geräuschlos wie ein Schatten.

Die Gestalt im Inneren der Lagerhalle blieb ihm den Rücken zugewandt, vertieft in ihre mysteriösen Aktivitäten. Doch Gustav kannte dieses Verhalten, diese Bewegungen. Max hatte oft auf die gleiche Art an seinen Experimenten gearbeitet. Doch irgendetwas stimmte hier nicht. Der Duft von Max war vermischt mit einem anderen, bedrohlicheren Geruch, den Gustav nicht identifizieren konnte.

Er schlich näher, bis er den Atem des Mannes hören konnte. Jetzt stand er nur wenige Meter entfernt, verborgen hinter einer Reihe großer Holzkisten. Ein Zittern durchlief seinen Körper, als er sich mutig entschloss. Mit einem kurzen, energischen Sprung trat er aus seinem Versteck.

„Max!“ bellte er in einem kurzen, tiefen Laut, der sowohl Freude als auch Angst ausdrückte.

Die Gestalt fuhr herum, und für einen langen, schrecklichen Moment dachte Gustav, er habe sich getäuscht. Doch dann sah er das vertraute Gesicht seines Freundes, eingefangen in einem Ausdruck von Überraschung und Erleichterung.

„Gustav“, flüsterte Max, sein Gesicht von Erschöpfung und Anspannung geprägt.



Doch bevor Gustav zu ihm eilen konnte, öffnete sich im Halbdunkel eine neue Tür, und eine zweite Gestalt trat in die Halle. Es war ein Mann, hochgewachsen, mit scharfen Gesichtszügen und Augen, die Böses ausstrahlten. In seiner Hand hielt er etwas, das Gustav sofort erkannte – ein Betäubungsgewehr.

„Gut, dass du deinen kleinen Freund gefunden hast, Max“, sagte der Mann mit einem kalten Lächeln. „Jetzt kommst du mit, ohne Ärger zu machen.“

Max‘ Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Lauf, Gustav! Lauf weg!“

Aber es war zu spät. Der Mann zielte auf Gustav und drückte ab. Ein Schuss ertönte, und bevor Gustav reagieren konnte, traf ihn ein Betäubungspfeil, der ihn taumeln ließ. Die Welt um ihn herum begann sich zu drehen, und Dunkelheit verschlang ihn.

Als Gustav wieder zu sich kam, fand er sich in einem kargen Kellerraum wieder, festgebunden und benommen. Er konnte hören, wie Max und der fremde Mann miteinander diskutierten, die Stimmen gedämpft durch die dicken Wände. Er zwang sich zur Ruhe und sammelte seine Kräfte. Dachte an die Zeiten zurück, als er mit Max in den Bergen gespielt und gelacht hatte – so frei und unbeschwert. Es gab keinen Weg, wie er Max jetzt enttäuschen könnte.

Ein Plan nahm Form in seinem scharfen Verstand an. Mit geschulter Kraft, einem Erbe seiner Zeit in den Bergen, begann Gustav an den Seilen zu knabbern, die ihn fesselten. Nach einer gefühlten Ewigkeit und mit viel Geschicklichkeit gelang es ihm schließlich, das Seil zu durchtrennen.

Kaum frei, schlich Gustav zum Ausgang des Raums. Er sah Max, der gezwungen war, an einem Tisch zu arbeiten, während der unheilvolle Mann aufmerksam daneben stand. Gustav wusste, er musste etwas tun, um den Fremden abzulenken.

Instinktiv rannte er laut bellend durch die Tür. Der Mann drehte sich um, offenbar überrascht, dass der Hund sich befreien konnte. In diesem Moment nutzte Max die Gelegenheit und schlug den Mann mit einem schweren Gegenstand bewusstlos. Ohne weitere Verzögerung ergriff Max die Hand seines treuen Freundes, und sie rannten zusammen aus der Lagerhalle heraus, durch die leeren, labyrinthartigen Straßen.

Als sie schließlich sicher in einer belebten Straße ankamen, wo viele Menschen und Licht sie schützten, keuchte Max und kniete sich zu Gustav hinab. Er nahm den Kopf des treuen Hundes in seine Hände und flüsterte: „Danke, mein Freund. Du hast mir das Leben gerettet.“

Gustav leckte Max‘ Gesicht und wusste, dass sie zusammen, egal wo, wieder in Sicherheit wären. Die Sonne brach endlich durch die Wolken, tauchte die Stadt in ein goldenes Licht, und für einen Moment schien die Welt gar nicht so bedrohlich.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, entschlossen, sich nicht mehr zu trennen und immer füreinander da zu sein. Das Abenteuer war vorbei, aber ihre Freundschaft würde sie durch alle zukünftigen Herausforderungen tragen.

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