Flucht im Nebelwald

Erschrocken rannte Gismo, der kleine und wachsame Rauhaardackel, durch den dichten Wald des Bergmassivs. Die Bäume standen eng und das Laub war feucht vom nächtlichen Regen, sodass seine kleinen Pfoten kaum Halt fanden. Doch Gismo hatte keine Zeit, sich um die rutschigen Untergründe zu kümmern. Er hatte ein unheimliches Gefühl, dass er verfolgt wurde.

Es war ein lauer Herbstabend, der Nebel hing tief in den Bergen und die Dunkelheit kroch langsam heran. Gismo war mit seinem geliebten Besitzer, dem Förster Karl, unterwegs gewesen, um die nördlichen Waldgrenzen zu inspizieren. Doch plötzlich war Gismo auf den Geruch eines unbekannten Tiers gestoßen – etwas, das nicht zu den typischen Waldbewohnern gehörte. Seine Neugierde hatte ihn dazu gebracht, dem Duft zu folgen, und als er seinen Fehler bemerkte, war es bereits zu spät. Karl war außer Sichtweite und irgendein unsichtbares Etwas schlich ihm nach.

Gismo duckte sich unter einem umgestürzten Baumstamm hindurch und spitzte angespannt die Ohren. Ein leises Knacken verriet, dass der Verfolger näher kam. Sein Herz hämmerte in der Brust, doch er war entschlossen, den Gegner mindestens genauso sehr herauszufordern. Plötzlich hörte er das leise, raue Atmen eines Wesens, das keine guten Absichten hegte.

In der Ferne vernahm Gismo Karls besorgte Rufe. Der Förster suchte ihn. „Gismo! Wo bist du, Junge?“ Die Stimme hallte durch das Tal. Der kleine Dackel war hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, zu seinem Besitzer zu rennen, und der Angst, das Wesen auf seinen Fersen direkt auf Karl zu lenken.

Plötzlich erstarrte Gismo. Vor ihm im dichten Gebüsch schimmerte etwas wie eiserne Augen im schwachen Licht der untergehenden Sonne. Ein tiefes Knurren durchschnitt die Stille. Gismo konnte kaum glauben, was er da sah: Eine riesige, düstere Gestalt erhob sich vor ihm, ein Tier, das in diesen Wäldern nicht heimisch war. Es knurrte lauter und kam langsam auf ihn zu.

Mit einem quietschenden Bellen wich Gismo zurück, sein Herz raste und die andauernde Spannung ließ keinen klaren Gedanken zu. Konnte er es schaffen, Karl zu warnen und sich selbst in Sicherheit zu bringen? Die Zeit lief ihm davon. Plötzlich griff sich das Wesen mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu. Gismo sprang beiseite, doch er wusste, dass er der Lage nicht lange standhalten konnte.

Und in diesem Moment hörte er einen weiteren, markerschütternden Schrei – doch dieser kam nicht von dem Wesen. Es war menschlich. Was war da nur geschehen?

Teil 2:

Gismo zog scharf die Luft ein, sein kleiner Körper zitterte vor Anstrengung und Angst. Mit einem für einen so kleinen Hund erstaunlichen Mut drehte er sich um und rannte in Richtung des markerschütternden menschlichen Schreis. Irgendetwas in ihm sagte ihm, dass Karl in Gefahr sein könnte, und keine noch so dunkle Kreatur würde ihn davon abhalten, seinem geliebten Besitzer zu helfen. Im Geiste rief er all seinen Mut zusammen und steuerte direkt auf den Ursprung des Schreis zu.

Der dichte Wald lichtete sich allmählich, und Gismo spürte den harten, unebenen Boden unter seinen Pfoten. Plötzlich verstummten die Geräusche. Der Wald schien für einen Augenblick gespenstisch still zu sein, doch dann hörte er ein gedämpftes Wimmern. Gismo spitzte die Ohren und folgte dem schwachen Geräusch.

Da fand er ihn: Karl lag am Boden, gefesselt und bewusstlos. Über ihm beugte sich das unheimliche Wesen, dessen eiserne Augen jetzt einen diabolischen Glanz hatten. Es war ein wilder Wolf, aber keiner seiner Artgenossen, die normalerweise im Wald anzutreffen waren. Nein, dieser Wolf schien intelligenter und gefährlicher zu sein, als ob er von einer dunklen Macht gelenkt würde.

Ohne zu zögern sprang Gismo zwischen Karl und den Wolf. Er wusste, dass er allein gegen dieses Monster keine Chance hatte, aber die ehrliche Liebe zu seinem Besitzer machte ihn stärker, als er selbst für möglich gehalten hätte. Er fletschte die Zähne und knurrte bedrohlich, während der Wolf ihn mit seinen durchdringenden Augen fixierte.

Plötzlich rauschte etwas durch die Luft – es war ein Pfeil, der direkt auf den Wolf zuschoss und ihm in die Flanke traf. Das Untier heulte auf, riss sich los und verschwand im Dickicht des Waldes. Gismos Herz pochte wild, als er sich umsah und den unerschrockenen Blick des alten Försters Heinrich sah, der zusammen mit einigen anderen Jägern zur Hilfe geeilt war. Heinrich, ein alter Freund von Karl, hatte die Gefahr geahnt und war rechtzeitig zur Stelle gewesen.

„Heinrich!“, rief Gismo in Gedanken aus. Der alte Mann kniete sich sofort zu Karl hinunter und begann, die Fesseln zu lösen. Gismo wimmerte und leckte das Gesicht seines Besitzers, der allmählich zu sich kam.

„Wach auf, Karl, bitte wach auf“, schien Gismo zu denken. Schließlich öffnete Karl langsam die Augen, seine Hände griffen nach dem dicken Fell des kleinen Dackels.



„Gismo… mein tapferer Junge“, murmelte er schwach, aber er brachte ein schwaches Lächeln zustande.

Die Jäger brachten Karl sicher zurück ins Forsthaus, Gismo immer an seiner Seite. Der Förster erholte sich schnell unter der Pflege seiner Freunde und dank der unerschütterlichen Loyalität seines Hundes. In den folgenden Tagen erfuhr man, dass der wilde Wolf Teil einer alten Legende war, ein Symbol des Unheils, das nur selten auftauchte und dann wie ein Schatten in den Nebelwäldern verschwand.

Gismo wurde als Held gefeiert und erhielt viele Leckereien und Streicheleinheiten. Doch das Schönste für ihn war, dass er wieder an der Seite von Karl war, bereit für weitere Abenteuer, stets wachsam und bereit, seinen geliebten Menschen zu beschützen. Zusammen nahmen sie ihre Wanderungen wieder auf, aber diesmal mit dem Wissen, dass sie sich immer aufeinander verlassen konnten. Die Nebel der Berge konnten noch so dicht sein, solange sie zusammen waren, würden sie jede Herausforderung meistern.

Und so endete die unheimliche Begegnung im Wald, aber die Freundschaft zwischen Gismo und Karl wurde nur noch stärker – ein Band, das keiner Dunkelheit jemals zu durchdringen vermochte.

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