Das Flüstern des alten Schlosses
Niemand im Dorf wagte es, das alte Schloss zu betreten, das auf dem Hügel thronte und in dichten Nebel gehüllt war. Es heißt, dass dort seltsame Dinge geschehen seien und geheimnisvolle Geräusche zu hören sind, besonders in mondlosen Nächten. Doch ein mutiger und schlauer Deutsch Drahthaar namens Gustav würde bald alles verändern.
Gustav war ein außergewöhnlicher Hund, bekannt für seine feine Nase und beeindruckende Intelligenz. Sein dunkelbraunes Fell glänzte selbst in der Dämmerung, und seine bernsteinfarbenen Augen schienen in die Seele eines jeden zu blicken. Sein Besitzer, ein älterer Jäger namens Wilhelm, vertraute ihm blind.
Eines verregneten Nachmittags bekam Wilhelm Besuch von einem alten Freund, der ihm von einer unglaublichen Entdeckung im Schloss erzählte. Eine verschlossene Tür im Keller, die seit Jahrhunderten niemand geöffnet hatte, sei plötzlich halb geöffnet gefunden worden. Es schien, als hätte jemand oder etwas versucht, hinauszukommen.
Wilhelm wusste, dass das gefährlich sein konnte, und entschied sich, das Geheimnis des Schlosses selbst zu ergründen. Mit Gustav an seiner Seite machte er sich auf den Weg. Sie durchquerten den nebligen Wald, der das Schloss umgab, und erreichten bald das verfallene Anwesen.
Die alten Steintreppen knarzten unter Wilhelms Gewicht, als sie vorsichtig hinabstiegen. Gustav schnüffelte unaufhörlich und seine Ohren zuckten bei jedem Geräusch. Die Luft im Keller war kalt und feucht, und ein modriger Geruch erfüllte den Raum. Der leichte Strahl ihrer Taschenlampe ließ Schattengestalten auf den Wänden tanzen.
Da war sie, die Tür. Halb geöffnet, wie beschrieben. Ein eisiger Wind wehte aus dem dahinterliegenden Raum und trug ein geflüstertes Wispern mit sich, das Gänsehaut verursachte. Wilhelm zögerte für einen Moment, seine Hand auf der Tür.
Plötzlich sprang Gustav vorwärts, bellte laut und verschwand durch den Spalt. Wilhelm folgte ihm schnell, wurde aber von einem seltsamen Anblick gebremst. Gustav stand vor einem großen, alten Spiegel, dessen Oberfläche ein seltsames Flimmern zeigte. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Plötzlich begann der Spiegel zu leuchten. Starkes Licht blendete Wilhelm, aber als er die Augen wieder öffnete, bemerkte er, dass Gustav verschwunden war. Im Spiegel konnte Wilhelm erstaunlicherweise die Silhouette seines treuen Hundes erkennen, gefangen in einer anderen Welt, die auf der anderen Seite des Spiegels existierte.
„Hilfe,“ schien Gustav zu jaulen, aber seine Stimme war verzerrt und schwach. Wilhelm trat näher an den Spiegel heran, als er plötzlich ein Geräusch von Krallen hörte, das aus den Tiefen des Schlosses hallte. Etwas oder jemand kam näher.
Mit zitternder Hand tastete Wilhelm nach dem Spiegel, fasziniert und verängstigt zugleich, als er eine kalte Berührung auf seiner Schulter spürte.
Teil 2 folgt…
Wilhelm drehte sich hastig um, das Herz hämmerte in seiner Brust, und sah eine schemenhafte Gestalt im Halbdunkel des Kellers. Es war eine alte Frau, in Lumpen gehüllt, ihre durchdringenden Augen funkelten im Licht der Taschenlampe. „Hab keine Angst“, flüsterte sie mit zittriger Stimme. „Ich bin die Hüterin dieses Schlosses; ich bewache das Geheimnis, das es birgt.“
Wilhelm trat einen Schritt zurück, noch immer den Spiegel im Blickwinkel, in dem Gustav gefangen war. „Bitte,“ flehte er, „helfen Sie mir, meinen Hund zurückzubekommen.“
Die alte Frau nickte verstehend. „In diesem Spiegel liegt ein uralter Zauber. Er kann sowohl die Lebenden als auch die Geister fangen. Dein tapferer Hund hat einen Übergang in diese Welt gefunden, und nur er kann den Schlüssel zum Durchgang finden.“
„Wie kann ich ihm helfen?“ fragte Wilhelm verzweifelt. Die Hüterin deutete auf eine kleine Truhe in der Ecke des Raumes. „Darin findest du ein altes Tagebuch“, sagte sie. „Darin steht beschrieben, wie der Zauber gebrochen werden kann. Beeile dich, bevor die Zeit abläuft und Gustav für immer gefangen ist.“
Schnell öffnete Wilhelm die Truhe und fand das versiegelte Tagebuch. Er blätterte hastig durch die vergilbten Seiten, bis er eine Passage über den Spiegelzauber entdeckte. Es stand geschrieben, dass nur die reinste Form der Freundschaft, die unerschütterlich und bedingungslos ist, den Bann brechen könne. Er musste eine Erinnerung, die den tiefsten Kern ihrer Bindung repräsentierte, mit der Oberfläche des Spiegels berühren.
Wilhelm dachte nach, während die Geräusche der kratzenden Krallen näher kamen. Plötzlich erinnerte er sich an einen kleinen Anhänger an seinem Schlüsselbund, den er stets bei sich trug. Es war ein kleines Stück Holz, geschnitzt in Form eines Knochens, ein Symbol für seine engen Bande zu Gustav, den er ihm als Welpe geschenkt hatte.
Mit zitternden Händen nahm Wilhelm den Anhänger und trat entschlossen an den Spiegel. Er hielt ihn fest gegen die schimmernde Oberfläche. Ein goldenes Lichtstrahl entfaltete sich und durchzog den Raum. Das Spiegelbild begann sich zu verändern, und plötzlich sprang Gustav, unversehrt und freudig bellend, aus dem Spiegel heraus in Wilhelms Arme.
Doch in diesem Moment brach die wandnahe Tür auf, und eine Gruppe dunkler Silhouetten strömte herein. Gustav knurrte bedrohlich, stellte sich schützend vor Wilhelm. In dem Licht des Spiegels konnte Wilhelm nun erkennen, dass es die Geister der früheren Schlossbewohner waren, gefangen seit Jahrhunderten.
Ein letztes Mal hob die alte Frau die Hand, als würde sie die Geister beschwören, und murmelte Worte in einer längst vergessenen Sprache. Mit einem letzten, mächtigen Lichtblitz lösten sich die Geister in Luft auf und drangen in den Spiegel zurück, der sofort darauf zersplitterte und in einem Staub aus goldenem Glanz verging.
Wilhelm und Gustav blickten einander erleichtert an und schnappten beide tief nach Luft. Die alte Frau lächelte weich, ihre Gestalt verblasste langsam. „Ihr habt den Zauber gebrochen und uns Erlösung gebracht“, sagte sie sanft. „Geht nun, und lasst die dunklen Geschichten des Schlosses hinter euch.“
Wilhelm hob Gustav hoch, fasste ihm sanft ins Fell und verließ mit seinem treuen Begleiter den Keller. Sie traten hinaus in den dichten Nebel, der sich nun zu lichten begann. Im Dorf angekommen, erzählte Wilhelm seine unglaubliche Geschichte, und manch einer wagte es dennoch nicht zu glauben. Aber die Bewohner spürten, dass sich etwas verändert hatte. Der Nebel um das alte Schloss hob sich, und die unheimlichen Geräusche verstummten für immer.
Gustav, der mutige Deutsch Drahthaar, hatte nicht nur seinen Freund gerettet, sondern auch das Dorf von einem jahrhundertelangen Fluch befreit. Und so lebten Wilhelm und Gustav weiter, ihre Freundschaft stärker als je zuvor, bereit für jedes Abenteuer, aber nun wohlverdient ruhiger und sicherer.