Mein Hund klaut mir meinen Freund! Ist unsere Beziehung noch zu retten?
„Mein Freund und ich haben eines gemeinsam: Wir lieben meinen Hund, Freedie, bedingungslos. Er ist das dritte Rad an unserem Wagen, und früher dachte ich, das wäre eine gute Sache.“
Ich blickte auf Freedie herab, der friedlich an meiner Seite schlief – so unschuldig und ahnungslos, wie er in Mitten all dieses Chaos‘ eine so zentrale, ja fast tragische Rolle spielte. Er war mein treuer Gefährte, bevor Jan in unser Leben getreten war. Und das war er immer noch, oder das dachte ich zumindest.
„Es wäre nicht fair zu sagen, dass Freedie kein guter Hund ist“, fuhr ich fort, während ich seine weichen Ohren streichelte. „Er ist gehorsam und treu und unglaublich einfühlsam. Er tröstet mich, wenn ich traurig bin, und freut sich mit mir, wenn ich glücklich bin.“
Doch diese wundervolle Qualität, die uns erst so enge Freunde gemacht hatte, war nun das Zentrum meines Dilemmas. Freedie brauchte eindeutige Grenzen, klare Anweisungen. Doch diese hatte Jan ihm nie gesetzt.
Unser Alltag ist ein Chaos. Wohin ich auch ging, Freedie folgte. Das Theater? Freedie hatte einen eigenen Platz. Das Büro? Freedie hatte sein eigenes Bett neben meinem Schreibtisch.
Das Problem war nicht Freedie, wie viele meiner Freunde behaupteten. Das Problem war Jan und seine mangelnde Fähigkeit, Grenzen zu setzen. Oh, er behandelte Freedie wie einen König und liebte ihn wie sein eigenes Kind. Aber am Ende des Tages war Freedie immer noch ein Hund und konnte unsere Beziehung nicht so verstehen, wie wir Menschen das taten. Aber das verstand Jan nicht.
„Probleme gab es nie … bis Jan versuchte, Freedie in alle Aspekte unseres Lebens einzubeziehen“, schluchzte ich und begrub mein Gesicht in meinen Händen, „Jetzt fühlt es sich an, als ob Freedie Jan mehr gehört als mir.“
Seine grünen Augen begegneten meinen in dem Spiegelbild des regennassen Fensters, als Daniel den Raum betrat. Ich hatte dieses warme Strahlen, diese Faszination in seinen Augen, die normalerweise mir galt, noch nie in solch einer Stärke gesehen. Exakt in dem Moment, als er sich vorsichtig niederbeugte und unseren Berner Sennenhund streichelte, registrierte ich dieses außergewöhnliche Leuchten in vollem Ausmaß.
Noch bevor ich ihn überhaupt richtig willkommen heißen konnte, rief er in jenem unbeschreiblich glücklichen Ton, der sonst nur galt, wenn wir uns nach einer langen Arbeitswoche wieder in die Arme fielen, „Hey Max, mein Großer!“. Beantwortet wurde er mit einem freudigen Schwanzwedeln und leidenschaftlichem Bellen von Max. Eine emotionale Szenerie, die mir bei all seiner Faszination auch Unbehagen bereitete.
Es war nicht das erste Mal, dass ich vom ersten Liebesmoment eines Pärchens Zeugin wurde. Doch hier stand ich nun, beobachtete meinen Freund, wie er meinen Hund umarmte und spielte und dabei sichtlich in ihn verliebt war. Eine surreale Situation, die mich beschäftigte. Was, wenn Max nicht nur meinen besten Freund, sondern auch meinen Liebsten stiehlt?
Die Tage danach waren wie ein wunderschöner, melancholischer Film. Daniel überschüttete Max mit Liebe und Zuneigung. Mehr Aufmerksamkeit, als ich es je für angebracht hielt. Er baute ihm Häuschen, kochte spezielle Hunde-Nudelsuppen, brachte ihn zum Hundesalon und kaufte Spielzeug, das zuvor in meinem Budget keinen Platz fand. Er verwandelte unser behagliches Wohnzimmer in einen Hunde-Spielplatz, an dem Max sichtlich seine Freude hatte.
Meine Freude hingegen wandelte sich in stetig wachsende Sorge. Nicht aus Eifersucht, obwohl dieses spleenische Gefühl manchmal hochkam. Es war vielmehr die Befürchtung, dass diese überbordende Verwöhnung Max‘ Verhalten beeinflussen könnte.
Meine subtilen Andeutungen wurden nicht gehört, oder zumindest nicht verstanden – ein Konflikt bahnte sich an. Doch wie teilt man einem Liebenden mit, dass seine Liebe zu stark ist? Es begann ein innerer Zwiegespräch, eine Auseinandersetzung mit mir selbst und mit Daniel. Ein Kampf, den ich so nie führen wollte.
Ich stand am Herd, wirbelte die Pfanne mit Bratkartoffeln und oreganobestäubtem Huhn. Charly, unser verschmustes Golden Retriever, saß neben mir und beobachtete mich regelrecht.
Als ich mich zu ihm hinunter beugte, um ihm streichelnd den Kopf zu kraulen, tauschten wir eine vertraute Zuneigungsbekundung aus; er wedelte mit dem Schwanz und stieß ein tiefes, zufriedenes Seufzen aus.
In diesem Moment hörte ich das unverkennbare Kratzen des Wohnungsschlüssels in der Tür. Charly sprang auf und rannte zur Eingangstür und ich hörte das fröhliche Lachen meines Freundes, als er den Hund streichelte und mit ihm sprach, fast als wenn es sich um ein kleines Kind handeln würde.
Die Warmherzigkeit in seiner Stimme, seine Freude, Charly zu sehen, berührte mich; aber etwas sagte mir, dass diese bezaubernde Szene nicht lange andauern würde.
Dieser Abend war anders. Normalerweise teilen wir das Abendessen zu dritt – mein Freund, Charly und ich -, tauschen Geschichten des Tages aus und genießen die gemeinsame Zeit. Aber seit Tagen merkte ich, dass mein Freund nur noch Augen für Charly hatte.
Der Hund bekam mehr Aufmerksamkeit als ich, sein Lachen klang fröhlicher, wenn er mit Charly spielte, und seine Berührungen waren zärtlicher, wenn er Charly streichelte. Es war, als würde eine unsichtbare Mauer zwischen uns hochgezogen und mein Platz durch Charly eingenommen werden.
Nach dem Abendessen setzte ich mich zu ihnen auf das Sofa. Mein Freund saß auf der einen Seite, Charly schmiegte sich in seine Arme und ich saß auf der anderen Seite.
Ich versuchte, ein Gespräch zu führen, meine Sorgen zu diskutieren, meinen Tag zu erzählen, aber mein Freund hing nur an Charlys Lippen, als ob er jedes Jaulen und Wimmern verstehen und darauf eingehen konnte.
Ich fühlte mich isoliert und ausgelassen und meine Worte blieben stumm in der Luft hängen.
In diesem Moment erkannte ich, dass ich etwas tun musste. Als ich ihm sagte, dass wir reden müssen, zuckte er überrascht zusammen, als ob er aus einem Traum gerissen wurde. „Wir müssen über Charly sprechen“, sagte ich mit zittriger Stimme.
„Ich habe das Gefühl, er nimmt meinen Platz ein und ich fühle mich dadurch zurückgesetzt.” Er schaute mich an, seine Augen spiegelten einen Hauch von Verwunderung und Bestürzung wider.
Ich werfe meinem Freund einen Blick zu, der gerade unserm Hund Lulu einen neuen Spielzeugball zeigt. Ein süßer Moment, den ich genießen würde, wenn dort nicht dieses seltsame Gefühl wäre. Es frisst sehr leise an mir und erlaubt kaum Raum für Wut, doch ich fühle es trotzdem.
„Wir sollten weniger Zeit mit Lulu verbringen“, setzt er mit sorgfältig gewählten Worten an. „Ich glaube, das wäre gut für uns beide, für … unsere Beziehung.“ Ich spüre, wie sich etwas in mir versteift, etwas, das bereit ist zu kämpfen. Denn es geht nicht um Lulu.
Es geht niemals um Lulu.
„Das ist nicht das Problem“, entgegne ich, meine Stimme fest, obwohl ich gefühlsmäßig kaum Halt finde. „Das Problem ist, wie du sie behandelst. Wie du Grenzen ignorierst, die ich gesetzt habe, weil ich weiß, was gut für sie ist.“ Er schaut mich verdutzt an, die Aufmerksamkeit von Lulu abgewandt. Ein seltener Anblick in den letzten Wochen.
Wie ein Film laufen Erinnerungen an meine vergangenen Beziehungen vor meinem inneren Auge ab. Keine davon war perfekt – welche ist das schon? – aber keine hatte ein „Hundproblem“. Sie alle hatten Lulu akzeptiert, hatten sie respektiert und mich respektiert, wenn ich Dinge in Bezug auf sie entschied.
Sie hatten erkannt, dass ich nicht nur eine Beziehungspartnerin, sondern auch eine Hundemutter bin. Eine Rolle, die ich mit Stolz und Verantwortungsbewusstsein ausfülle. Weil ich weiß, dass Lulu auch in meinem Leben eine wichtige Rolle spielt.
Aber er, er versteht das nicht.
Er hat Lulu zum Mittelpunkt unserer Beziehung gemacht und hat somit vergessen, dass es auch darum geht, wie er mich behandelt. Wie er meine Regeln, meine Entscheidungen und meine Rolle in Lulus Leben behandelt.
Die Frage ist jetzt: Kann er das ändern? Und wenn ja, will ich dabei sein, wenn er es lernt? Die Antworten darauf sind noch ungewiss und liegen ganz bei mir.
Ich nehme einen tiefen Atemzug, blicke zu meinem Freund, der inzwischen wieder unsere lebensfrohe Lulu unterhält, und frage mich, was meine nächste Entscheidung sein wird.
Ich stehe am Fenster und blicke in den dunklen Hinterhof, während meine Gedanken um eine Erinnerung kreisen. Mit einem bitteren Lächeln erinnere ich mich an unsere ersten Tage zu dritt – ich, mein Freund und mein Hund. Damals schien alles noch so harmonisch, so leicht.
Doch nun… nun ist nichts mehr wie es einmal war. Weit entfernt von der romantischen Vorstellung einer perfekten Dreier-Konstellation, besteht mein Alltag nur noch aus Reibereien und Enttäuschung. Mir wird bewusst, dass alle anderen Beziehungen, die ich in der Vergangenheit hatte, nie unter der Präsenz meines Hundes gelitten haben. Mit der Stille der Nacht als stumme Begleiterin frage ich mich, warum gerade diese Beziehung anders ist. Warum ist es nur ihm so schwer gefallen, sich meinem Hund gegenüber angemessen zu verhalten?
Mit der Zeit habe ich gesehen, wie meine eigenen Ängste sich einen Weg in den Vordergrund geschlichen haben. Ich habe beobachtet, wie er mit meinem Hund umgeht, gesehen, wie er ihm gegenüber keine Grenzen setzt und habe mich immer öfters dabei ertappt, daran zu zweifeln, ob er in der Lage wäre, ein guter Elternteil zu sein. Der Gedanke frisst sich in meinen innersten Gefühlen fest, breitet sich aus wie ein dunkler Fleck auf einem weißen Hemd und vergiftet jeden weiteren Traum, den ich von unserer gemeinsamen Zukunft hatte. Kann ein Mann, der nicht in der Lage ist, einem Hund gegenüber Autorität zu demonstrieren, wirklich die Verantwortung für ein Kind tragen?
Nun stehe ich hier, allein mit meinen Gedanken und Ängsten, während ich in den kühlen, unerbittlichen Nachthimmel blicke. Bilder einer potenziellen Zukunft ziehen an mir vorbei und mit dem realen Ausmaß der Konsequenzen konfrontiert, frage ich mich, ob wir jemals wieder zu dem zurückkehren können, was wir einmal waren. Oder ist es schon zu spät? Sind meine Zweifel gerechtfertigt oder nur das Produkt meiner überaktiven Fantasie?
Langsam, mit dem Gewicht der Welt auf meinen Schultern, drehe ich mich vom Fenster weg. In den dunklen Korridoren unseres gemeinsamen Hauses murmle ich mit leiser, zitternder Stimme: „ist unsere Beziehung noch zu retten?“
Die Kreide in meinen Händen zittert, als ich die Worte auf die Tafel schreibe. „Hund-Diskussion: Ein Spiegelbild unserer Beziehung?“ Die Worte stehen nun da, in meiner krakeligen Handschrift, unnachgiebig, unabänderlich. Sie werfen einen langen, dunklen Schatten auf mein Bewusstsein und holen eine brutale Wahrheit empor – unsere Beziehung ist nicht so perfekt, wie ich glaubte.
Mit der Kreide in meiner Hand, vor der leeren Tafel, fühle ich mich fragil. Ich kämpfe mit der Erkenntnis, dass das, was ich als kleines Problem sah, eigentlich das ressenti ist. Ein tief sitzendes, verwobenes Netz von Misstrauen, Verwirrung und Konflikten, das sich in unserem Leben ausbreitete. Zudem kommt ein besorgniserregender Trieb, einen unschuldigen Dritten – meinen Hund, unser Haustier – für die Kluft zwischen uns verantwortlich zu machen.
Obwohl ich zusehe, wie unsere Beziehung allmählich auseinanderbricht, spüre ich einen Stich von Zuneigung, wenn ich an ihn denke. Ich denke an seine Lebhaftigkeit, an die Art, wie sein Lachen meine Wut zerschmettert und einen friedlichen Schutzschild um mich herum errichtet. Und dennoch wirft seine Unfähigkeit, unserem Hund gegenüber feste Grenzen zu setzen, einen dunklen Schatten auf meine Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft.
Ich fühle die kalte Hand des Zweifels, die sich um mein Herz legt. Kann ich wirklich eine Zukunft mit einem Mann aufbauen, der solche grundlegenden Regeln unserer Beziehung missachtet? Könnte ich ihm die Verantwortung anvertrauen, ein Elternteil zu sein, wenn er unserem Hund gegenüber nicht in der Lage ist, Autorität auszuüben?
In dieser entscheidenden Frage, sehe ich meinen Hund, freudig und voller Hingabe, wie er mit seinem Spielzeug spielt. Unschuldig und liebenswert, aber durch die Frivolität eines Menschen belastet, den ich liebe. Bin ich bereit, meine Beziehung, meine Liebe zu gefährden, um mein geliebtes Haustier zu schützen?
Dort steht es schwarz auf weiß, die Frage, die ihren Schatten in mein Innerstes wirft. Die Worte auf der Tafel fühlen sich wie eine prophetische Fügung an, die meine Entscheidung zu fördern scheint. Soll ich die Liebe meines Lebens wählen oder meinen treuen Gefährten? Es ist ein ultimativer Test, der nicht mehr ignorierbar ist. In diesem Augenblick weiß ich, dass meine Entscheidung die Weichen für meine Zukunft stellen wird.
Während der Wind langsam durch die blattlosen Bäume wehte, saß ich im Wintergarten, das sanfte Heulen des Windes war die einzige störende Geräuschkulisse. Füchsin, mein treuer Vierbeiner, lag friedlich schlafend an meinen Füßen. Unsere Atempausen sortierten sich synchron, als ob wir uns einen einzigen Pulsschlag teilten.
Blickte ich auf die vergangenen Monate zurück, konnte ich nur an die Reibungen denken, welche diese unschuldige Kreatur zwischen uns gebracht hatte. Es war der Blick in den Spiegel, der unsere tief sitzenden Probleme offenbarte – es ging um mehr als nur um den Hund. Aber war Frank bereit, sich dem zu stellen? War ich es?
Jede Gedankenwelle, die an mein Bewusstsein schlug, stellte dieselbe Frage: Konnte unsere Liebe alle Hindernisse überwinden? War sie stark genug? Ich konnte die Antwort nicht finden. So stand ich da, zwischen der Liebe zu meinem Freund und meiner Sorge um die psychische Gesundheit meines Hundes.
Ich holte tief Luft, meine Finger spielten mit dem weichen Fell meiner Hündin, während ich in ihren treuen braunen Augen eine Stille erkannte. Mir kam ein Gedanke: Könnte es sein, dass Füchsin uns auf diese Situation vorbereitet hat, dass sie uns für größere, mögliche Herausforderungen gewappnet hat? Waren all diese Konflikte, die sie zwischen uns gerufen hat, tatsächlich notwendig, um uns zu zeigen, was in unserer Beziehung fehlte und wo wir arbeiten mussten?
Ich wusste, ich hatte eine Entscheidung zu treffen. Aber jetzt, während ich Füchsin streichelte, war ich mir nicht sicher, ob diese Probleme wirklich lösbar waren oder ob sie uns nur tiefer gespaltet hatten.
„Mein Hund klaut mir meinen Freund! Ist unsere Beziehung noch zu retten?“ Mit dieser Frage hatte alles begonnen und sie hing immer noch wie eine Wolke über meinem Herzen. Doch nun begriff ich, es ging nicht um Füchsin oder darum, wer Recht hatte. Es ging um uns, um Frank und mich und die Art, wie wir mit Problemen umgingen.
Dies war weder ein klares Ende, noch bot es eine zauberhafte Lösung. Doch es war ein Anfang, uns selbst und die Dynamiken unserer Beziehung zu verstehen. Nur die Zeit würde zeigen, ob unsere Liebe diesen Spiegeltest überleben kann. Eines aber war sicher: Füchsin, meine unerschütterliche Begleiterin, wäre an meiner Seite, ganz gleich, welchen Weg ich einschlagen würde. Unser Band war unzerbrechlich.
Schließlich sind Beziehungen so ähnlich wie die Liebe zu einem Haustier – sie können reines Glück und pure Angst, kristallklare Klarheit und hoffnungslose Verwirrung, unmittelbares Verständnis und tiefsitzende Missverständnisse hervorrufen.
Doch sie können auch – wenn wir es zulassen – durch ihre Tiefen und Untiefen unsere stärksten Punkte hervorbringen und uns selbst besser kennlernen helfen.